Transnationales ExpertInnenforum

Sprache und Migration

Integration fördern – Menschenrechte verwirklichen
Kompetente Lehrkräfte zur Förderung und Unterstützung der Integration

 

Abschlusserklärung des
4. Transnationalen ExpertInnenforums „Sprache und Migration“

Goldrain/Südtirol im November 2007

 

Das Amt für Weiterbildung der Autonomen Provinz Bozen - Südtirol und das Italienische Pädagogische Institut, Bozen haben in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk SprachenRechte (Österreich), dem Lehrstuhl Deutsch als Fremdsprache/Institut für Germanistik der Universität Wien, dem Österreichischen Verband für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (ÖDaF), dem Verein DaZ-Didaktik im Gespräch in Deutschland und dem Arbeitskreis Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache in der Schweiz (AkDaF) im November das vierte Transnationale ExpertInnenforum zum Thema "Sprache und Migration" veranstaltet.

Die ExpertInnen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol legen folgende Erklärung vor.

Dem Unterricht von Deutsch als Zweitsprache (DaZ) bzw. der jeweiligen Landessprache kommt in unseren Ländern eine hohe politische Bedeutung zu. Gesellschaft und Po litik fordern, dass MigrantInnen die jeweilige(n) Landessprache(n) in kurzer Zeit lernen, da die Sprachbeherrschung als wesentliche Voraussetzung für die Integration gilt.

Eine bedeutende Rolle kommt hierbei den Lehrkräften zu, die diesen Unterricht gestalten. Sie sind nämlich mit den Forderungen der Politik, den Erwartungen der Gesellschaft und den Wünschen der MigrantInnen konfrontiert.

In diesem Kontext müssen folgende Grundsätze berücksichtigt werden:

Sprachunterricht kann aktive Integrationspolitik nicht ersetzen. Lehrkräfte sind in erster Linie Sprachlehrkräfte, allerdings mit einer hohen Professionalität im Bereich der Sprachdidaktik (DaF/DaZ).

Sprachvermittlung im Rahmen eines Integrationskonzepts ist jedoch eine Aufgabe, die eine spezifische, hoch profilierte Ausbildung erfordert, in der sprachdidaktische und migrationssoziologische Kompetenzen sowie eine Entwicklungskompetenz verknüpft werden müssen. Darunter verstehen wir:

  • Sprachvermittlung: Lehrkräfte sind in der Lage, Deutsch als Zweitsprache als Überlebenssprache, als Fachsprache (z.B. in Ansätzen wie Content Language Integrated Learning - CLIL) im Kontext von Mehrsprachigkeit zu vermitteln und die kommunikative Kompetenz der Lernenden zu fördern;
  • Migration, Integration, Diversität: Lehrkräfte wissen um mehrsprachige Identitäten, die sozialpsychologische Situation in der Migration sowie die soziopolitische Situation von Minderheiten in Mehrheitsgesellschaften;
  • Entwicklungskompetenz, professionelle Weiterentwicklung: Lehrkräfte sind in der Lage, Unterricht und Materialien zu entwickeln und besitzen die Fähigkeit, auf veränderte Bedingungen und Anforderungen reagieren zu können.

 

Für diesen Tätigkeitsbereich ist eine Hochschulausbildung eine sinnvolle, wenn auch nicht die einzige oder ausschlaggebende Voraussetzung, um eine fachlich kompetente Arbeit zu gewährleisten. Sie bedarf einer integrierten Praxisphase (alternierende Theorie-/Praxisausbildung). Erfahrene PraktikerInnen sollten zudem die Gelegenheit erhalten, über den Weg einer Gleichwertigkeitsbeurteilung ihre Kompetenzen würdigen zu lassen.

Mitgebrachte Qualifikationen, insbesondere eigene Migrationserfahrungen und Kenntnisse der Migrationssprachen sind in Aus- und Fortbildungsprogrammen anzuerkennen und weiter zu entwickeln.

Fortbildungsbedarf muss auch in Form einer individuellen Qualifikationsberatung erfasst werden, in die bestehende Qualifikationen und aus der beruflichen Praxis entstehende Bedürfnisse einfließen.

Die Angebote sind aus den konkreten regionalen Anforderungen zu entwickeln und enthalten eine innerinstitutionelle Komponente in Form von Praxisbegleitung, Peer-Tutoring, Tandem und Hospitationen.

 

DaF/DaZ-Lehrkräfte haben die Aufgaben,

  • zwischen den Lernenden und der Aufnahmegesellschaft zu vermitteln und Zugänge zu schaffen, damit die Lernenden eine positive Beziehung zur Aufnahmegesellschaft entwickeln können;
  • die Lernenden bei der Realisierung ihrer individuellen sprachlichen Handlungsbedürfnisse zu unterstützen. Insbesondere geht es darum, dass sie zu Sprachkontakten ermutigt werden und Strategien an die Hand bekommen, diese aufzubauen und zu pflegen;
  • die Lernenden zu ermutigen, sich auszudrücken, über das rein Nützliche hinausgehend in die deutsche Sprache zu finden und eine persönliche Beziehung zu ihr aufzubauen;
  • die mit dem Prozess der Migration verbundene Verunsicherung nicht zu verstärken, sondern das Selbstbewusstsein der Lernenden und ihre sprachliche Handlungsfähigkeit zu stärken;
  • selbst Neugierde zu zeigen und bei den Lernenden zu fördern und dabei vorhandene Sprachen der Lernenden wertschätzend aufzugreifen;
  • mit den Frustrationen, die aufgrund von Konfliktsituationen, erfahrener Diskriminierung, Fremdheit und Perspektivlosigkeit den Lernprozess stören können, konstruktiv und kompetent umzugehen;
  • die Freude am Lernen zu vermitteln, Lernängste abbauen zu helfen und die Nutzung von Lernstrategien anzuregen.

 

Die Lehrkräfte leisten damit als Fachkräfte der DaF/DaZ-Förderung einen wichtigen Beitrag zur Integration, zu deren Erfolg jedoch noch andere Faktoren beitragen, z.B. weitgehende Veränderungen der Aufnahmegesellschaft in arbeitsmarktpolitischer, aufenthaltsrechtlicher und bildungspolitischer Hinsicht.

 

Für die Erfüllung dieser Aufgaben sind folgende Bedingungen notwendig:

Unterricht im DaF/DaZ-Bereich ist eine wichtige und hochqualifizierte Tätigkeit in und für die Gesellschaft, die ein hohes Engagement erfordert. Um dieser Aufgabe mit den sich ständig verändernden Anforderungen gerecht zu werden, braucht es bestimmte Rahmenbedingungen. Keine der bisher vorhandenen Regelungen im deutschsprachigen Raum bietet auch nur annähernd folgende notwendigen Voraussetzungen:

  • dauerhafte Beschäftigung mit einer beruflichen Perspektive, um das Abwandern von kompetenten Fachkräften zu verhindern;
  • eine der hohen professionellen Anforderung entsprechende finanzielle und gesellschaftliche Anerkennung;
  • Zugestehen von Eigenverantwortlichkeit für Handlungs- und Gestaltungsebene.

 

Um dies zu gewährleisten ist erforderlich,

  • dem Lehrpersonal bei der Umsetzung der Curricula Handlungsspielraum zu garantieren, um den Bedürfnissen ihrer konkreten LernerInnengruppen gerecht werden zu können;
  • die konkreten Unterrichtserfahrungen der Lehrkräfte verbindlich und kontinuierlich in die Fortentwicklung der Curricula einzubeziehen;
  • die Lehrkräfte fachgerecht bei der Umsetzung ihrer Aufgabe in die Praxis zu unterstützen. Dazu gehören mindestens: erwachsenengerechte Unterrichtsräume; Bereitstellung von Medien, Hilfsmitteln, Unterrichts- und Verbrauchsmaterialien sowie Räume für Unterrichtsvorbereitung mit Fachbibliothek und IT-Ausstattung; Gewährleistung und Förderung von Fachaustausch und fachlicher Begleitung sowie entsprechender kontinuierlicher Fortbildung.

 

Transnationales ExpertInnenforum „Sprache und Migration“

Goldrain/Südtirol, 3. November 2007

 

Kontaktpersonen:

Elisabeth Ramoser, Amt für Weiterbildung – Autonome Provinz Bozen - Südtirol: This e-mail address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it
Klaus Civegna, Italienisches Pädagogisches Institut : This e-mail address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it